Das System ÖVP

Ist unser schönes Tirol ein Selbstbedienungsladen für die ÖVP? Viele Menschen haben das Gefühl, dass sich die ÖVP herausnimmt, was sie gerade braucht. Aber das stimmt so nicht. Was aber sicher stimmt ist, dass die ÖVP ein System ist, und die ÖVP Teile dieses Landes fest zu ihrem System zählt. Und: Dass sich bestimmte Menschen innerhalb dieses Systems herausnehmen, was sie gerade brauchen. Und dass diese Menschen bisweilen ohne jede moralische Grenzen zugreifen und ihre Interessen durchsetzen – koste es, was es wolle.

Einer dieser Menschen, der mit Rückendeckung der ÖVP reich wurde, ist Dr. Hanspeter Zobel, Notar und (seiner Aussage nach) ehrenamtlicher Präsident der Lebenshilfe Tirol. Hanspeter Zobl war ein guter Freund von Herwig van Staa; und weil die beiden gute Freunde waren, hatte Hanspeter Zobl während der Amtszeit von Herwig van Staa als Bürgermeister von Innsbruck de facto ein Monopol auf alle Notariell zu beglaubigende Dokumente der Stadt Innsbruck.

Als van Staa Karriere machte und Landeshauptmann wurde, machte auch Zobl Karriere. Seine Notariatsverträge schloss er ab hier nicht nur mit dem Land, sondern auch bei Vereinen, die im Landeseigentum stehen – wie der Lebenshilfe. Und diese Notariatsverträge waren nicht ganz billig – und bezahlt wurden sie mit Spendengeldern, die eigentlich behinderten Kindern zu Gute kommen sollten. Ein Beispiel gefällig?

2009 machte die Lebenshilfe eine Erbschaft. Ein vermögender Tiroler hatte der Lebenshilfe 1,9 Millionen hinterlassen, und das Notariat Zobl wickelte die Hinterlassenschaft ab. Dafür verrechnete das Notariat mehr als hunderttausend Euro, nämlich 114.265,56€ um genau zu sein. Spendengelder.

Aber nicht nur Notar Zobl als Präsident griff bei den Spendengeldern zu – auch Paul Barbist und Helmut Rochelt, die beiden Geschäftsführer der Lebenshilfe, griffen richtig zu. Das Trio fuhr Dienstwägen – daran ist nichts auszusetzen. Doch ihre Dienstwägen kosteten zwischen 40.000 und 60.0000 Euro. Ein besonderes Detail: Helmut Rochelt, von dem klar war, dass er Ende 2010 in Pension ging, kaufte noch Anfang 2010 einen neuen Volvo XC60, den er, so die Vereinbarung, in die Pension mitnehmen dürfte. Die Bezüge der beiden Geschäftsführer der Lebenshilfe beträgt übrigens 11.200€ im Monat, plus Spesen und Dienstauto.

Weitere bekannte Gaunereien bei der Lebenshilfe können hier nur angedeutet werden: Aber erwähnt seien die Erpressung von Eltern von behinderten Kindern (Stichwort: Wohnrechtsverträge), die zwischen 20.000 und 50.000 Euro liegen, die Zwischenschaltung einer GmbH, durch die eine Kontrolle der Lebenshilfe durch den Rechnungshof unmöglich gemacht wurde sowie das Führen eines Magistertitels durch Paul Barbist, den er gar nicht besaß.

Nachdem diese Skandale Ende 2010 bekannt wurden, weil der Ötztaler Publizist Markus Wilhelm auf seiner Homepage belastendes Material veröffentlichte, traten Rochelt und Zobl zurück. Immerhin. Die Staatsanwaltschaft hatte Ermittlungen wegen Betrug, Täuschung und unrechtmäßiger Bereicherung gegen sie eingeleitet. Aber wird man als guter Freund der Mächtigen in diesem Land verurteilt? Nein. Zumindest nicht in diesem Fall, das Ermittlungsverfahren wurde ein Jahr später eingestellt. Besonders Van Staa könnte über gute Kontakte zum Innsbrucker Gericht verfügen – wie unter anderem die folgende Geschichte, bekannt als „Schwein-Sager“, vermuten lässt:

2007 hielt Herwig Van Staa eine Rede vor Mitgliedern des Deutschen Alpenvereins. Darin soll dieser den damaligen deutschen Außenminister Joschka Fischer als Schwein bezeichnet haben. Van Staa erklärte, er habe lediglich „Schweigen“ gesagt. Der Ötztaler Publizist Markus Wilhelm veröffentlichte daraufhin einen Mitschnitt der Rede und schrieb auf seiner Homepage, allerdings als Frage formuliert, aber sinngemäß, er habe in Van Staas Rede das Wort Schwein verstanden. Daraufhin verklagte Van Staa Wilhelm auf üble Nachrede.

Man kann die Rede von Van Staa immer noch anhören (http://www.dietiwag.at/index.php?id=2910 – ganz unten), und ich möchte hier vermeiden, zu sagen, was ich höre. Fakt ist: Alle Gutachten bestätigen, dass van Staa Schwein gesagt habe. Dennoch wurde Wilhelm in erster Instanz schuldig gesprochen. Das OLG Innsbruck hat ihn dann freigesprochen; jedoch legte der Staatsanwalt Berufung ein. Wilhelms Anwalt dazu: „“Ich glaube, dass hier jemandem ein politischer Gefallen gemacht wurde“.[1] Wilhelm selbst: „Es kann nur der Druck von ganz oben gewesen sein, der den Staatsanwalt jetzt doch noch zur Einbringung der Berufung gegen meinen Freispruch gebracht hat.“ Unwahrscheinlich ist das jedenfalls nicht.

Wer ebenso mehr als gute Kontakte zum Innsbrucker Gericht haben dürfte, ist Landeshauptmann Platter. Er steht vor Gericht, weil er über den Rechtsanwalt Bernd Oberhofer gesagt, „er tretet den Rechtsstaat mit Füßen“ und ist „eigentlich der Totengräber des Bauernstandes“. Dieser reichte Klage wegen Ehrenbeleidigung und Kreditschädigung eingebracht und am 18. Juni 2012 sollte der erste Verhandlungstermin stattfinden.

Blöderweise (oder vielleicht genau deswegen) hatte Platter an diesem Tag einen wichtigen Termin, weswegen sein Anwalt einen Antrag auf Vertagung der Sitzung einbrachte. Am 1. Juni 2012; über einen Antrag, dem das Gericht entweder stattgeben kann oder nicht.

Trotzdem wusste Platter schon am 30. Mai, dass das Gericht seine Verhandlung verschieben wird; an dem Tag gab er ein Interview mit dem Magazin Profil und sagte über seinen Prozess, er werde Oberhofer im Herbst vor Gericht sehen und er freue sich darauf. Aber wie konnte er da schon wissen, dass er ihn definitiv erst im Herbst sehen würde? Wusste er da vielleicht sogar schon, dass es der 8. Oktober werden wird?[2]

Aber nicht nur der Rechtsstaat, auch die Medienlandschaft spielt beim System ÖVP mit und bekommt dies reich vergütet: Die Moser-Holding (TT, Life Radio, Bezirksblätter, West- und 6020 Magazin und vieles mehr) erhält jährlich Werbeeinnahmen im Wert von 400.000€ vom Land Tirol; und dazu kommt Günther Platter persönlich aufs Geburtstagsfest von Moser-Holding Chef Hermann Petz und spielt Trompete. Aber nicht nur das: Er setzt sich auch als Landeshauptmann dafür ein, dass die Firma, und nicht das Land Tirol, abkassiert – und das geht so:

Das Internetverwaltungsorganisation ICANN hat Anfang 2012 neue länderspezifische Super-Domain-Adressen wie „.tirol“, „.salzburg“, „.steiermark“ usw. öffentlich ausgeschrieben. Statt dass sich das Land Tirol – wie Hamburg, Stockholm, Madrid, die Schweiz u.a. – seine „Top Level Domain“ für alle möglichen Zwecke und jede auch kommerzielle Nutzung gesichert hätte, hat Günther Platter die „.tirol“ aktiv und ohne Ausschreibung der Tiroler Tageszeitung zugeschanzt. Dafür hat er an das Unternehmen einen Brief geschrieben, indem er, als Landeshauptmann, bestätigt, dass das schon okay ist:

Dass dieser Brief in unterirdischem Englisch verfasst ist, sei hier nur am Rande erwähnt.

Welche Größenordnung dieses Geschäft hat, kann hier nur geschätzt werden. Da die TT für die Bewerbung zwischen 150.000 und 200.000 Euro veranschlagt hat, ist anzunehmen, dass es sich um ein vielfaches dieser Summe handeln wird.

Die Gegenleistung der Moserholding ist, dass die Skandale um Platters Jagdeinladungen, seine Seilbahngeschichte, die Agrargemeinschaften und vieles mehr, in der TT so klein wie möglich und so groß wie nötig erwähnt werden, oder eben gar nicht. Dass Platter diese Leistung schon etwas wert ist, ist verständlich[3].

Es sollte in diesem Artikel also darum gehen, zu zeigen, wie das System ÖVP funktioniert. Freunde der ÖVP, meist das weniger bekannte Umfeld, bedienen sich bei Landesunternehmen, wie etwa der Lebenshilfe, aber auch Hypo oder Tiwag sind ÖVP-kontrolliert und daher nicht unschuldig (wie man auf dietiwag.org nachlesen kann). Die Justiz, aber auch der Rechnungshof, schauen nur dahin, wo sie wirklich müssen, bzw. handeln  nicht so unabhängig, wie sie sollten. Und die Medienlandschaft lässt sich bezahlen, um nicht das zu schreiben, worüber sie schreiben könnten. Und wer sich nicht selbst informiert, meint, dass eh alles im Lot ist in Tirol. Das System ÖVP funktioniert.

Trage du dazu bei, zu verhindern, dass dieses System nicht mehr länger funktionieren kann! Diskutier mit deinen Freunden darüber! Zeige ihnen diesen Text, diese Website, engagiere dich bei einer Bewegung, die damit Schluss machen will! Denn wenn niemand etwas tut, wird sich nichts ändern…

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